Dienstag, 11. August 2015

Buchbesprechung: Familienrat nach Dreikurs

Familienrat nach Dreikurs, Herzsprung-Verlag

Wahrscheinlich kennen alle Eltern dieses Schema: Eltern bestimmen - Kind will nicht - Eltern setzen sich durch - Kind tobt - Eltern lassen sich auf Verhandlungen und einen Kompromiss ein. Warum denn nicht gleich? Warum wird nicht diskutiert und nach einem Kompromiss gesucht, bevor sich jemand übergangen fühlt?

Zugegeben, es klingt idyllisch: Die Familie setzt sich an einen Tisch und diskutiert anstehende Entscheide. Alle können sich einigen und gehen glücklich und zufrieden den gemeinsamen Weg. - Idyllisch ja, aber auch erreichbar! Bis es so weit ist, braucht es aber viel Übung.

Unsicheres Terrain betreten
Die Autorinnen Heide Köpfer und Erika Becker beschreiben den Familienrat nach Dreikurs ausführlich und mit vielen Beispielen. Das unterscheidet das Buch von den Kurzfassungen, welche in verschiedenen Erziehungsratgebern zu finden sind. - Und das Buch macht Mut, sich auf dieses unsichere Terrain zu begeben. Unsicher ist das Terrain deshalb, weil du vor dem Familienrat nicht weisst, welche Entscheide getroffen werden. Und du musst deine (möglicherweise über Jahre eingeschliffene) Rolle als bestimmendes Familienoberhaupt verlassen. Nicht du bestimmst, sondern die Familie als Ganzes.

Offenheit und Kompromissbereitschaft
Hier liegt wohl das Hauptproblem. Wir Eltern sind uns gewohnt, Entscheide zu fällen und den Kindern zu kommunizieren. Und wenn wir den Kindern eine Wahl lassen, bestimmen wir häufig schon vorher, welche Alternativen offen stehen ("Wollt ihr am Samstag ins Freibad oder auf eine Radtour?").
Wenn wir aber einen Familienrat einberufen, darf jeder Vorschläge bringen, mitdiskutieren und mitbestimmen. Klar gibt es auch Grenzen. Für einen 7-jährigen ist eine Bettzeit von 23 Uhr keine Option. Aber sehr vieles kann als Familie geplant werden. Ich ertappte mich allerdings vor allem am Anfang, dass ich meine manipulativen Fähigkeiten nicht immer im Griff hatte. Das ist gegenüber Kindern unfair und widerspricht der Idee einer demokratischen Entscheidungsfindung.

Klein anfangen
Am schwierigsten schien mir der erste Familienrat. Dank der Checkliste im Buch war ich zwar vorbereitet, aber ich wusste ja noch nicht, ob die anderen Familienmitglieder mitziehen. Ich wollte klein anfangen und als einziges Thema den Menüplan für das Wochenende planen. Sonst habe ich jeweils die Mahlzeiten zusammengestellt, und immer wieder waren die Kinder oder die Frau unzufrieden. Das Wochenende (inkl. Freitagabend) erschien mir auch für den Kleinsten der Runde ein überschaubarer Zeitraum zu sein. Und siehe da: Es hat geklappt! Es gab viele gute Vorschläge und natürlich mehr Wünsche als Mahlzeiten, aber wir haben uns am Schluss geeinigt. - Und niemand hat sich beschwert!
In späteren Zusammenkünften haben wir uns um andere Themen gekümmert und den Familienrat so Schritt für Schritt eingeführt.

Gut verständliche Anleitung

Die Stärke von Heide Köpfer und Erika Becker ist es, Dreikurs' Original aus der Mitte des letzten Jahrhunderts so aufzubereiten, dass eine gut verständliche Anleitung für die heutige Familie entstand. Dabei werden auch problematische Situationen thematisiert. Ein pupertierender Sprössling könnte den Familienrat zum Beispiel als uncool oder spiessig empfinden. Oder Familienmitglieder halten sich nicht an Abmachungen. Auch damit muss eine Demokratie umgehen können, und wenn sie noch so klein ist. Die Autorinnen halten für diese (und andere schwierige Situationen) Tipps für das weitere Vorgehen bereit.

Empfehlung

Ich empfehle das Buch allen, die überzeugt sind, dass eine Familie eine Lebensgemeinschaft ist, die ihren Weg gemeinsam geht. Diese Väter und Mütter finden hier einen Ansatz, diesen Weg noch konstruktiver zu gestalten.

Bibliographische Angaben:
Köpfer Heide, Becker Erika
Familienrat nach Dreikurs
Verlag Herzsprung
ISBN Taschenbuch 978-3-99051-007-0
ISBN E-Book 978-3-99051-008-7
Verkaufpreis D: € 10.90 (E-Book: € 9.49)
Das Buch auf der Homepage des Verlags

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